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Objekt im Fokus

11.10.2023 Sandra Werne

Eigene Währung

Die LWL-Klinik Warstein besaß eine eigene Währung und damit ein echtes numismatisches Kuriosum. Einer der frühesten Belege für derartiges Anstaltsgeld findet sich in der von Bodelschwinghschen Stiftung Bethel in Bielefeld. Hier wurde 1908 die „Bethel-Mark“ eingeführt und ist inzwischen als „Bethel-Euro“ nach wie vor im Einsatz.

Die Vorteile einer Eigenwährung für eine psychiatrische Klinik lagen auf der Hand: Mit dem Geld konnte nur innerhalb der Anstalt bezahlt werden, außerhalb waren die Münzen wertlos. Gleichzeitig verblieben die Werte im eigenen Wirtschaftskreislauf. Ein eigener Konsumladen existierte in der Warsteiner Anstalt bereits seit den 1920er Jahren. Bestimmte Suchtmittel und Alkohol hatte dieser Laden für die Patienten natürlich nicht im Angebot. Mit dem eigenen, selbstverwalteten Geld konnten sie sich aber beispielsweise Süßigkeiten oder Tabakwaren kaufen und erlangten dadurch ein Stück Freiheit und Selbstbestimmtheit.

Daneben wurde das Geld im Rahmen der Arbeitstherapie als Belohnung für gute Leistungen und Kooperation eingesetzt. Die Beschäftigung in der Landwirtschaft, Näherei und anderen Werkstätten wurde als therapeutisches Mittel angesehen. Eine angemessene Entlohnung war dadurch von vornherein ausgeschlossen. Bereits kleine Taschengeldbeträge weckten bei den Beschäftigten daher das Arbeitsinteresse und Verantwortungsbewusstsein.

In dem gezeigten Bilderrahmen sind je zwei Marken von einem Wert vorhanden, deren Vorder- und Rückseiten präsentiert werden. Zu sehen ist ein ganzer Markensatz in den Wertstufen 5, 10, 50, 100, 200 und 500 Pfennig. Die aufgeprägte Bezeichnung „Landesheilanstalt“ deutet auf eine Prägezeit ab 1954 hin, die Aufprägung „Landeskrankenhäuser“ auf den Zeitraum ab 1960.

Laut Mitteilung von Dr. Bernd Thier ist der Einsatz anstaltseigener Währungen für weitere Standorte in Westfalen belegt. So besaß etwa die Heilanstalt Eickelborn eigenes Anstaltsgeld, das in den 1950er Jahren von der Firma Heinrich Kissing in Menden produziert wurde. Möglicherweise war die Firma ebenfalls Hersteller der Warsteiner Münzen.

Text:
Emil Schoppmann

Literatur:

  • Sebastian Wieschowski: Bethel-Euro. Numismatische Parallelwelt in Bielefeld. In: MDM Blog, Geschichten & Gesichter, Münzwissen, 3. November 2019. Online unter: https://blog.mdm.de/bethel-euro/, Stand: 12.09.2023.
  • Peter Menzel: Deutschsprachige Notmünzen und Geldersatzmarken im In- und Ausland 1840 bis 2002, Zweite ergänzte und erweiterte digitale Ausgabe, 2018.